L’Abbate ist italienisch und heißt übersetzt ‘der Abt’. Das war wohl ein Geistlicher im tiefsten Apulien – das ist geografisch der Absatz vom italienischen Stiefel. L’Abbate heißt heute auch die kleine italienische Käserei in Offenbach in der Bieberer Straße 23 im Hinterhof. Der Besitzer ist demnach ein Nachfahre des Klostervorstehers, weil eben dieser Abt das Leben und die Frauen geliebt hat! So meine romantische Vorstellung! Der Fotograf und ich stehen in der kleinen Käserei. Es ist warm und schwül und es dampft aus allen möglichen Behältern. Wir haben weiße Häubchen auf, Plastikmäntelchen und blaue Plastikschuhe an. Ich guck jetzt nicht in den Spiegel und verbiete dem Fotografen ein Foto von mir zu machen. In einem der Stahlkessel schwimmt und duftet der gerade eben fertig gestellte Ricotta. Die dampfende, reinweiße und leicht körnige Masse wird in kleine Körbchen abgefüllt und nach dem Abtropfen heute noch im Laden verkauft oder an Händler in der Umgebung ausgeliefert. Das sieht superappetitlich aus und ich hätte jetzt gern einen Löffel – darf hier aber nix anlangen – der Hygiene wegen. Also widme ich mich wieder dem Produktionsprozess.
Herr L’Abbate liebt seine Arbeit. Das merkt man. Freundlich und engagiert erläutert er uns den nächsten Arbeitsgang. Die für den Ricotta erhitzte Bio-Milch aus dem Odenwald ergibt noch ein zweites Produkt. Der Mozzarella. Kleine Bällchen,größere Kugeln und die hübschen, virtuos geknoteten, kleinen Zöpfe. Die Grundmasse kommt oben in eine Art Küchenmaschine, wird dort vermengt, portioniert und ab damit ins kühlende Wasserbad.
Jetzt bekommen wir jeweils eine fangfrische kleine Mozzarellakugel zum Probieren. Lecker! Auf einer Stellage nebenan hängen geräucherte Mozzarella (Scamorza). Erinnern an kleine strangulierte Bärchen. Das wird aber gleich besser, wenn man sie abnimmt. Dann sehen sie lustig aus und schmecken auch noch super.Aber nochmal zu den Wurzeln. In den 60igern strebten die ‘Gastarbeiter’ nach Deutschland und eben auch nach Offenbach. Vom Handkäs’ zu Tode erschreckt und vom Sauerkraut vergrault sah sich Großvater ‘Abt’ zur Abhilfe genötigt.
Also hat sich vor 40 Jahren eben dieser italienische Zuwanderer das Käsen beigebracht und seinen Landsleuten in Offenbach gegeben, was das Heimweh der ‘Gastarbeiter’ gelindert (ich glaube ja eher verstärkt) hat. Mozzarella, Riccotta und andere italienische Käsespezialitäten. Später ging die Käserei an seinen Sohn über und dieser hat uns eben durch die Käserei geführt. Frau L’Abbate ‘übernimmt’ jetzt und lotst uns in den kleinen Käseladen gegenüber. Hier ist ihr Reich und hier erklärt, berät und verkauft sie. Und wenn die italienische Stammkundschaft kommt tut sie das in fließendem fröhlichen italienisch.
Der Verkaufsraum ist klein und kühl. An den Wänden Zeitungsreportagen, ein Holzregal, in der Mitte eine einfache Theke. Und überall … liegend, hängend, gestapelt … italienischer Käse! Aber auch Olivenöl, Pesto, Weine, Salami, Gnocchi und anderes. Die Leute kommen zahlreich, obwohl oder weil der Laden so versteckt liegt. Er gilt als Geheimtipp für hervorragende und frische Käsespezialitäten. Mit jeweils einem eben aus dem Käsereibecher geschlüpften, also superfrischen Ricotta und einer Tüte kleiner Mozzarellabällchen verabschieden wir uns von dem symphatischen Paar. Zuhause blättere ich das Papier von meinem Ricotta. Sieht aus wie ein gestülpter Pudding. Milchweiß. Ganz frisch. Einfach so löffeln ohne nix … so die Verzehrempfehlung! Also dann … mmmhbooaaah! DAS ist ein Käse!
Text: Doris Soric
Fotos: Jens Hänsel
11. September 2020
Fotografie, People Business, Reportagen